10. April 2022 | Autor
Charaktervorstellung: Lier
In diesem Textschnipsel gibt es eine weitere Charaktervorstellung: Lerne Lier näher kennen!
Lier beobachtete die verhüllte Gestalt, die sich langsam in Begleitung einer anderen Leibwache dem Trainingsplatz näherte, während er selbst mit seinen Trainingspartnern auf den Hauptmann wartete. Der Prinz setzte sich stets auf denselben Platz und Lier dachte an die Male, an denen er ihn seit der letzten Sonnenwende dorthin begleitet hatte. Schweigend. Distanziert. Wie er und alle anderen Mitglieder der Königsgarde es beigebracht bekamen.
Bevor Lier Teil dieser Garde wurde, war ihm nicht bewusst gewesen, wie viele Elfen aufgrund von Eigenheiten starben, die er selbst mit den Opfern teilte: Eine aktive Verbindung, die sie nicht hätten haben dürfen. Obwohl sie sich diese nicht ausgesucht hatten. Genau wie die Gefühle, die sie anderen Mitgliedern ihres Volkes gegenüber empfanden. Elfen, die ihnen nicht durch die Göttin versprochen waren und die sie deswegen nicht hätten begehren dürfen. Im Gegensatz zu ihm hatten die Verurteilten nicht das Glück, das sie gezeigt bekamen, wie es möglich war, ihre aktive Elementverbindung zu stabilisieren. Oder sie hatten nicht wie er ein Gespür dafür entwickelt, wem sie ihre Gefühle offenbaren konnten, um doch wenigstens halbwegs selbstbestimmt zu leben. Zu lieben.
Es war nicht einmal zwei Mondphasen her, dass er den Prinzen das erste Mal über die Verhandlungen hatte sprechen hören. Leise, durch den dunklen Schleier kaum verständlich. Dabei wirkte er sachlich, betonte, dass jede Hinrichtung, die sein Vater vollstreckte, zur Ehrung des Geschenkes der Göttin sei. Des Segens, den nur sie in der Lage war, zu gewähren.
Gleich, ob der König neben ihm saß, oder ob Lier den Prinzen und die Priesterin Nissha zur Kapelle am See begleitete. Seine Worte waren immer nüchtern und er betonte, wie wichtig es war, den Geboten zu folgen.
Lier konnte sich nicht helfen, aber etwas sagte ihm, dass das eine Lüge war, die das Königshaus aufrecht erhielt, bis sie wieder unter sich waren. Oder der Prinz zusammen mit Nissha in der Kapelle auf dem See verschwunden war, während er am Ufer Wache hielt. Vor dem schmalen Steg, der zu dem kleinen, scheinbar schwimmenden Gebäude führte.
„Lier.“ Janna betrachtete ihn eindringlich.
Der Gardist lachte. „Was denn?“
„Seitdem Du ihn begleitest, scheinst Du mir ein wenig zu interessiert.“
Er hob das Kinn und lächelte. „Das wäre doch was, denkst Du nicht?“
Sie schnaubte und schüttelte den Kopf. „Du bist wahnsinnig. Er ist der Prinz.“
Was ihn hätte abschrecken sollen, weckte in ihm nur mehr die Lust, herauszufinden, ob er mit seiner Einschätzung richtig lag.
Wie wäre es, wenn der Prinz von Neu-Eph genauso unter den Regeln des Segensglaubens litt, wie alle Mitglieder ihres Volkes? Wenn er nicht Teil des Problems war, wie die meisten glaubten und ihm und seiner Familie insgeheim den Tod wünschten?
Welche Chancen würden sich ergeben, wenn der Königssohn nur etwas von dem teilte, was Lier fühlte und dachte? Wäre Prinz Verodos nicht der beste Verbündete auf dem Weg zur Freiheit?
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❓Welche drei Worte beschreiben diesen Charakter Deiner Meinung nach am besten?
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