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4. Juni 2022 | Autor

Charaktervorstellung: Jaron und Ichor lernen sich kennen

Charaktervorstellung: Jaron und Ichor

Eine weitere Charaktervorstellung aus meinem Fantasyroman. In dieser Szene, die vor der eigentlichen Handlung spielt, lernen sich Jaron und Ichor kennen. Viel Spaß!

„Da seid Ihr ja. Ich dachte schon, ich hätte Euch verloren.“

Ichor blickte auf und hatte ein fordernd lächelndes Gesicht vor sich. Dann fielen ihm sofort die spitzen Ohren auf. Mit angehaltenem Atem wandte er sich dem Fremden voll zu, blieb dabei auf seinem Hocker am Tresen sitzen.

Ihm fehlten die Worte. Er hatte tatsächlich einen anderen Elfen vor sich und allem Anschein nach war er keiner dieser verfluchten Priester.

Der Fremde lächelte hörbar. „Darf ich Euch Gesellschaft leisten?“

Ichor hob überrascht die Brauen. Dann nickte er und der Elf setzte sich auf den Hocker gleich neben ihm. 

Als er zu bemerken schien, wie der Wächter ihn anstarrte, lachte er. „Glaubt mir, so habe ich vorhin wahrscheinlich auch ausgesehen, als ich Euch beim Kampf gegen diese Wichtigtuerin gesehen habe.“ Seine grauen Augen musterten Ichors Gesicht. „Hervorragend, wie Ihr der Guten einen Denkzettel verpasst habt.“

Darauf hob der Wächter das Kinn. „Kinderspiel.“

Sein Gegenüber lächelte, dann wurde seine Aufmerksamkeit von der Vima hinter dem Tresen abgelenkt, die ihn fragte, was er trinken wollte. Er blickte kurz auf Ichors Becher, bevor er antwortete: „Dasselbe wie er.“

Darauf nickte die junge Frau mit der für ihr Volk typischen dunklen Haut und machte sich an die Arbeit.

„Ihr wisst doch gar nicht, was ich habe.“

Der Fremde zuckte mit den Achseln.

Der Wächter schnaubte. „Wer seid Ihr?“

„Mein Name ist Jaron. Ihr seid Wächter Ichor, habe ich gehört.“

„Ihr habt nach mir gefragt?“

„Nachdem ich Euch nach dem Kampf aus den Augen verloren hatte, musste ich doch herausfinden, wie ich Euch finden kann.“ Jaron funkelte ihn an und als sich ihre Blicke auf diese Art trafen, kribbelte es in Ichors Innerem.

„Bitte, Euer Hikowasser.“ Die Vima stellte ihm einen Becher hin und der Elf öffnete einen gut gefüllten Beutel, den er recht offensichtlich an seiner Hüfte hängen hatte. Er bezahlte das Getränk mit einem Juwelensplitter und zwinkerte der Einheimischen zu. Diese Geste brachte das freudige Kribbeln in Ichor zum Erliegen und er atmete tief ein, umfasste seinen Becher mit beiden Händen und kippte ihn vor und zurück, sodass die leicht pink gefärbte Flüssigkeit darin schwappte.

Jaron zog seine Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er den Wächter aufforderte, mit ihm anzustoßen. Der folgte der Geste, ohne ihn richtig anzusehen.

„Auf einen schönen Abend!“, sagte der Elf und nahm einen großen Zug.

Ichor trank nicht, sondern stellte seinen halb gefüllten Becher gleich wieder ab.

„Ich kann gar nicht sagen, wie viele Zyklen es her ist, dass ich einen anderen Elfen getroffen habe.“

Der Wächter nickte zustimmend. „Geht mir ähnlich … abgesehen von der Handvoll, mit denen ich auf Terris zusammenlebe, bin ich nur Priestern begegnet.“

„Ihr sagt das, als wäre es etwas schlechtes, Priester zu sein.“

Darauf bedachte Ichor ihn mit zusammengekniffenen Augen. „Seht Ihr das anders?“

„Sollte ich?“, fragte Jaron schulterzuckend. „Da, wo ich gelebt habe, waren Priester hoch angesehen.“

„Ihr stammt nicht von Neu-Eph?

Er schüttelte den Kopf. „Ist das Eure Heimat?“

„Das ist lange her … “

Noch bevor Ichor ausgesprochen hatte, straffte Jaron sich plötzlich und es platze aus ihm heraus: „Hört Ihr das? Ich liebe dieses Stück!“

Seit ihrer Unterhaltung hatte der Wächter der live gespielten Musik keine Beachtung mehr geschenkt und die Klänge, die die Augen seines Gegenübers zum Leuchten brachten, kamen ihm nicht besonders bekannt vor.

Im nächsten Augenblick packte Jaron seinen Arm. „Kommt, tanzt mit mir.“

Ohne auf Antwort zu warten, zog er Ichor mit sich und da dieser ohnehin dort war, um ein wenig zu feiern, wehrte er sich nicht. 

Die Musik gab ein gutes Tempo vor und Jaron wusste sich dazu zu bewegen. Der Wächter nutzte die Gelegenheit und betrachtete den Elfen genauer. Er war einen Kopf kleiner, mit einem kräftigen Körperbau und das asymmetrisch geschnittene schwarze Haar war über seinem rechten Ohr komplett kurz geschoren. Seine Augenfarbe ließ darauf schließen, dass sein Geburtselement die Luft war. Ichor wähnte sich sicher, dass dieser Elf eine aktive Verbindung hatte, die er auch zu nutzen wusste. Denn weder trug dieser Elf eine sichtbare Waffe bei sich, noch schien er sich Gedanken darüber zu machen, ob ihm jemand sein Juwelensäckchen entwendete. Der Wächter hätte bloß vorgreifen müssen, um es ihm zu stehlen. Doch mit einer aktiven Luftverbindung würde aus diesem scheinbar leichten Opfer innerhalb eines Wimpernschlags ein gefährlicher Gegner.

Als er Jaron wieder ins Gesicht sah, bemerkte er dessen Grinsen und ihm wurde augenblicklich warm. Dann endlich meldete sich seine eigene Elementverbindung und er sah, was der Luftgeborene dachte.

Der erste Elf nach so langer Zeit und direkt so eine Schönheit.

Ichor war es unmöglich zu verhindern, dass ihm ein überraschtes Keuchen entfuhr und wie zur Antwort näherte Jaron sich ihm, legte eine Hand um seine Taille.

„Ihr seid ein Gedankenleser“, raunte er ihm ins Ohr, wobei den Wächter ein wohliger Schauer durchfuhr.

Daraufhin entfernte der Elf sich so weit von ihm, dass sie sich wieder ansehen konnten.

Der Moment schien still zu stehen, während sie einander betrachteten und Ichor fühlte, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte. Dann fanden ihre Lippen wie von selbst zueinander und der anfangs zaghafte Kuss wandelte sich schnell in eine leidenschaftliche Umarmung.

Die Tanzfläche war sofort vergessen und sie ließen sie auch körperlich hinter sich, als sie kurz darauf ein Stockwerk höher in dem Zimmer landeten, welches Ichor sich für seinen Aufenthalt auf dieser Welt gemietet hatte.

Der Luftgeborene drückte ihn unter Küssen aufs Bett, glitt an ihm herab und öffnete auf seinem Weg Knöpfe und Knoten, fuhr mit seinen Händen über die bloße Haut des Wächters. Dann streifte er sich selbst in Windeseile seine Gewänder vom Leib, sodass sie sich schließlich ohne störende Stoffschichten aneinanderschmiegen konnten.

Das Licht der aufgehenden Sonne weckte ihn. Ichor blinzelte, rollte sich herum und fuhr hoch, als er neben sich niemanden fand. Er setzte sich auf, blickte sich in dem kleinen Zimmer um.

„Jaron?“

Es kam keine Antwort.

Der Wächter rieb sich mit der Hand über die Stirn. Diese Begegnung hatte er sich doch nicht eingebildet?